Kunstvolles Stadttheater Gütersloh
Eine der anspruchsvollsten Baustellen Deutschlands wandelt sich zu einem Hingucker
Gütersloh: „Und was ist nun draus geworden?“ Aus der vielleicht anspruchsvollsten Baustelle Deutschlands? So stellten sich viele unserer Leser die Frage. Hier ist die Antwort: „In jeglicher Hinsicht ein vollkommener Erfolg!“Gemeint ist das Stadttheater Gütersloh. Die PFP Architekten BDA (Hamburg) hatten einen schon fast revolutionär zu nennenden Plan entworfen, an der Stelle des vakanten alten Theaters ein neues zu errichten. Revolutionär auch im bautechnischen Sinne, und zwar wortwörtlich: Denn hätte man wie üblich nach der Aushärtung des Betons in den unteren Geschossen die Stützen entfernt, wäre das gesamte Gebäude wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt!
Der Grund: Alle Gebäudestrukturen hängen buchstäblich so aneinander, dass sie alle nur im Zusammenspiel stabil sind.
Hingucken und staunen: Der Vorderteil des Gebäudes scheint nicht mit dem Untergrund verankert. Wer auch noch weiß, dass die Glasfassade am Dach aufgehängt ist, gerät nun vollends ins Grübeln!
PASCHAL lieferte die ATHLET für die sichtbaren Betonflächen.
Das Gebäude sieht zunächst wie ein Klotz aus, dem man an einer und der Rückseite jeweils einen Kasten gedrückt und die Vorderseite verglast hat. Aufgrund der städtischen Bauvorschriften sowie der unmittelbaren Nähe des unter Denkmalschutz stehenden historischen Wasserturms bleibt die maximale Höhe auf 26,5 Meter über Geländeoberkante beschränkt.
Auf der rechten Seite steht Mitte Juli 2010 noch ein eingerüsteter Teil. Er umschließt eine Studiobühne, die halb nach innen, halb nach außen ragt und quasi auf der Außenwand balanciert.
Den Mut, sich der Ausführung zu stellen, hatte die Fechtelkord & Eggersmann GmbH (Marienfeld), kurz F&E. Die Arbeiten wurden 2009 größtenteils beendet. Zurzeit während der Sommerpause finden noch einige Außenarbeiten statt, darunter an einer Bühne.
Im Vordergrund werden noch Pflastersteine verlegt. Durch die nur leicht getönten Glasscheiben erblickt man auf der rechten Seite die Spiralwindung der großen freitragenden Treppe und links davon den „schwebenden“ Theatersaal.
Tatsächlich wurde das Theater bereits im Frühjahr 2010 eingeweiht – und jede Vorstellung ist seither ausverkauft.
Extreme bautechnische Anforderungen und deren Lösungen
Die Statik für die extremen und hypermodernen Formen wurden von Prinz & Pott (Bielefeld) gelöst. Ganz unterschiedliche Bestandteile des Bauwerks zeigen Besonderheiten auf. Beispiele:
- Der schwebend erscheinende Theatersaal ist an den Bühnenturm angehängt. Ein Teil der Last wird auf der Vorderseite von zwei Paaren von jeweils drei Schrägstützen aufgenommen. Diese spreizen sich, als würde man eine Untertasse auf drei Fingern balancieren. Sie haben lediglich Durchmesser von 45 Zentimetern, bestehen aus C 100/115 Schleuderbeton und nehmen pro Stück eine Last von 3700 kN auf.
Geschleudert, nicht gerüttelt: Die Stützen des „schwebenden“ Theatersaals im Empfangsbereich. - Eine nach oben breiter werdende im Grundriss klothoidenförmige Spiraltreppe aus Ortbeton verbindet die Obergeschosse miteinander.
Die Maße der freitragenden Treppe ändern sich fortlaufend.
Die Treppe für sich wäre allein bereits ein Kunstwerk. Hier zu sehen ist noch ein Teil der Unterseite des Theatersaals. Diese besteht aus großflächigen Betonfertigteilen. Diffizile Schalarbeiten an diesen Fertigteilen auf der Baustelle wurden mit der Raster Universalschalung durchgeführt.
Blick von der Freitreppe auf den Bereich „hinter“ dem Theatersaal. Die Aussparungen in der Wandfläche ergeben die reizvollen Muster, die man von außen erkennt. Jede Abweichung würde vom Betrachter sofort bemerkt. Die Beton- und Schalarbeiten waren höchst anspruchsvoll.
Runde Aussparungen im Dach lassen Tageslicht in die Skylobby. Aus dieser Höhe hat man einen schönen Überblick über die näheren Bereiche der Stadt Gütersloh.
Schalung
Die Großflächenschalung ATHLET eignet sich hervorragend für den Einsatz im Industrie- und Ingenieurbau. Sie bietet Rekordwerte bezüglich der Frischbetondruckaufnahme, der eingehaltenen Ebenheitstoleranzen und der geringen Anzahl von Spannstellen im Beton.
Summarisch gab es 32.000 Quadratmeter zu schalende Fläche.
Bautafel:
Auftraggeber: Hochbauamt der Stadt Gütersloh
Bauausführer: Fechtelkord & Eggersmann GmbH, Marienfeld
Architekten: PFP Architekten BDA, Hamburg
Projektsteuerung, externe Bauleitung: Oehme & Partner GbR, Bielefeld
Statik, Beratende Ingenieure: Prinz & Pott, Bielefeld
Fundament-, Wand- und Kletterschalung: PASCHAL-Werk G. Maier GmbH